Meilenstein der Raumfahrt: Vor fünf Jahren landete die europäische Sonde Huygens auf dem Saturnmond Titan

Zwei neue Bücher fassen die Ergebnisse der Mission Cassini-Huygens zusammen
DLR-Wissenschaftler kartieren die Eismonde und beschreiben deren Geologie

Heute vor fünf Jahren, am 14. Januar 2005, flog die Atmosphärensonde Huygens an Fallschirmen hängend durch die Gashülle des Saturnmondes Titan und landete zweieinhalb Stunden später sanft auf der Oberfläche des minus 180 Grad Celsius kalten Trabanten. Von dort übertrug sie mehrere Stunden Messdaten an die Muttersonde Cassini. Zwei neue Bücher, an denen Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) maßgeblich mitgewirkt haben, fassen die Ergebnisse der Huygens-Landung und der ersten vier Jahre des Cassini-Orbiters in der Saturn-Umlaufbahn zusammen.

Die Bände „Saturn from Cassini-Huygens“, herausgegeben von Michele Dougherty, Larry Esposito und Stamatios M. Krimigis im Springer-Dordrecht-Verlag (Heidelberg, London, New York 2009), und ”Titan from Cassini-Huygens“, herausgegeben von Robert Brown, Jean-Pierre Lebreton und Hunter Waite im Springer-Dordrecht-Verlag (Heidelberg, London, New York 2010), setzen den Standard für die Saturnforschung im kommenden Jahrzehnt.

Das kühne Manöver der Huygens-Sonde war zugleich die erste Landung einer Raumsonde auf einem Körper des äußeren Sonnensystems. Knapp 90 Minuten dauerte es, bis die Funksignale die 1,4 Milliarden Kilometer Distanz zur Erde zurückgelegt hatten. Als die Messungen der Experimente, die Bilder vom Abstieg der Sonde und schließlich von der Umgebung der Landestelle in Darmstadt eintrafen, kannte der Jubel keine Grenzen: Erstaunt blickten die Wissenschaftler und mehr als hundert Medienvertreter auf ein verästeltes System von Tälern, durch das eiskalte, flüssige Kohlenwasserstoffe geströmt sein mussten. Vor der Sonde lagen von einem fließenden Medium abgerundete Eisbrocken. ”Für die europäische Raumfahrt, aber vor allem die Planetenforschung, war die Huygens-Landung ein außergewöhnlich großer Erfolg“, erinnert sich Prof. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin.

Cassini-Huygens – Reise in die fremde, eisige Welt des äußeren Sonnensystems

”Cassini-Huygens ist seit der Ankunft am Saturn Mitte 2004 das vielleicht spannendste Projekt der aktuellen Planetenforschung – die Mission mit ihren zwölf Experimenten hält uns fast ununterbrochen in Atem“, berichtet Prof. Jaumann. „Durch diese Mission haben wir eine viel präzisere Vorstellung dieser fremdartigen Welt riesiger Gasplaneten im äußeren Sonnensystem und von deren Eismonden. Vieles ist neu und unbekannt, doch die grundlegenden geologischen Prozesse ähneln denen auf der Erde, wenngleich die Zutaten exotisch sind“, erläutert der Planetengeologe und Cassini-Experte. Seit dem 4. Juli 2004 umrundete Cassini den Saturn mehr als 120 Mal, erst am 12. Januar 2010 erfolgte in 955 Kilometern Entfernung ein weiterer Nahvorbeiflug am Titan.

Der Titan ist außer der Erde der einzige Körper im Sonnensystem, auf dessen Oberfläche Flüssigkeiten existieren. Unter seiner dichten Stickstoffatmosphäre verbergen sich stehende „Gewässer“ aus flüssigen Kohlenwasserstoffen wie Methan und Ethan. Diese Kohlenwasserstoffe zirkulieren ähnlich dem Wasser auf der Erde in einem Kreislauf aus Verdunstung, Regen und Abflusssystemen. Vor kurzem haben DLR-Forscher erstmals nachgewiesen, dass ein sehr großer See in der Nordpolregion des Titan mit flüssigen Kohlenwasserstoffen gefüllt ist.

Zwei Bücher verbinden die gesammelten Erkenntnisse zu einem neuen Bild des Saturnsystems

Die Sonde Cassini und die Landung der Atmosphärenkapsel Huygens auf dem Titan sind die Grundelemente der amerikanisch-europäischen Mission Cassini-Huygens. Beide Raumsonden haben das Bild von diesem rätselhaften Mond buchstäblich neu gezeichnet. In dem englischsprachigen Buch „Titan from Cassini-Huygens“ wird zum ersten Mal ein Gesamtbild des Titan anhand der bei der Huygens-Landung und den Cassini-Vorbeiflügen gewonnenen Erkenntnisse präsentiert.

Parallel ist das Buch „Saturn from Cassini-Huygens“ erschienen, das die Ergebnisse des Cassini-Orbiters zum Saturn, seinen Ringen und zu den übrigen Eismonden auf 805 Seiten zusammenfasst. An Cassini und Huygens sind mehr als 250 Wissenschaftler aus den USA, aus Europa und zahlreichen weiteren Ländern unmittelbar beteiligt. In den beiden umfangreichen Bänden haben die Forscher nun zum ersten Mal sämtliche Ergebnisse seit der Ankunft des Sondengespanns veröffentlicht.

DLR-Wissenschaftler waren dabei für die Darstellung der Geologie der Eismonde – mit dem Schwerpunkt Titan – sowie der Kartographie der neun großen Eismonde verantwortlich. „Für die Beantwortung wissenschaftlicher Fragen sind genaue Bildkarten von all diesen Körpern eine der wichtigsten Voraussetzungen“, erklärt Prof. Jaumann. „Damit können die Forscher untersuchen, welchen Umfang der Eisvulkanismus auf dem rätselhaften Enceladus hat, wie die seltsame Hell-Dunkel-Zweiteilung der Oberfläche von Iapetus zu erklären sein könnte, warum dieser Mond einen bis zu 20 Kilometer hohen Bergrücken entlang seines Äquators hat, worin die Ursache für merkwürdige Bruchstrukturen auf Tethys, Dione und Rhea liegt, oder wie die 'Gewässer' auf dem Titan geographisch verteilt sind – nur um einige wenige der unzähligen spannenden Themen zu nennen“, sagt Jaumann weiter.

Ali Baba: DLR-Kartografen vergeben für neue Strukturen Namen aus „1001 Nacht“

Auf der Basis der Bilder des Cassini-Kamerasystems entstehen unter Leitung von DLR-Physiker Dr. Thomas Roatsch die Atlanten für die großen Eismonde. „Wir verbessern die Karten der Monde ständig“, erläutert Dr. Roatsch, „denn durch die lange Missionsdauer kommt es immer wieder zu Nahvorbeiflügen an den Monden. Dadurch erhalten wir regelmäßig neue, detailliertere Bilddaten“.
Genauere Bilder und Kartenwerke lassen neue Oberflächenphänomene erkennen. Für diese werden in der Planetenkartografie Namen nach bestimmten Vorgaben der Internationalen Astronomischen Union (IAU) festgelegt. "Für Enceladus wurden hierzu Figuren und Orte aus den 'Erzählungen aus 1001 Nacht' ausgewählt“, erläutert Roatsch. So gibt es beispielsweise ein Kartenblatt für das Gebiet des Nordpols, das DLR-Vorschlägen folgend Sindbad heißt, sowie Regionen mit den Namen Shahrazad oder Ali Baba.

Saturnmission Cassini noch bis September in der „Äquinox-Phase“ – mehrjährige Verlängerung im Blick

Momentan sind 61 Monde des Saturn bekannt. Die meisten dieser Monde sind nur wenige Kilometer große Eisbrocken, doch mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern ist Titan nach dem Jupitermond Ganymed der zweitgrößte Trabant im Sonnensystem und der einzige mit einer dichten Atmosphäre – und deshalb eines der interessanten Objekte der Planetenforschung.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein gemeinsames Projekt der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena (Kalifornien) führt die Mission für das Wissenschaftsdirektorat der NASA durch. Der Cassini-Orbiter wurde am JPL entworfen, entwickelt und gebaut.

In Deutschland beteiligen sich wissenschaftlich an dieser Mission das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), mehrere Universitäten sowie die deutsche Raumfahrtindustrie. Der deutsche Hauptbeitrag zu den Experimenten auf dem Cassini-Orbiter besteht in der Bereitstellung des kosmischen Staubdetektors CDA (Cosmic Dust Analyzer) zur Untersuchung von winzigen Teilchen im All. Der Staubanalysator untersucht elektrische Ladung, Geschwindigkeit, Flugrichtung, Masse und chemische Zusammensetzung. Die mechanischen Bauteile des Instruments wurden beim DLR in Berlin unter der Leitung von Dr. Franz Lura gefertigt.

Der finanzielle Anteil Deutschlands an der Mission beträgt rund 120 Millionen Euro. Die DLR-Raumfahrtagentur hat dabei kontinuierlich die deutschen Beteiligungen mit Mitteln der Bundesregierung gefördert. Mitte 2008 wurde die Mission erstmals verlängert und wegen der Tag-und-Nacht-Gleiche-Periode am Saturn auf den Namen „Cassini Äquinox-Mission“ getauft; diese endet offiziell im September 2010. Weitere Missionsverlängerungen sind in Aussicht und werden seitens NASA und der beteiligten Wissenschaftler bis in das Jahr 2017 hinein intensiv vorbereitet.

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Kommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln http://www.dlr.de/

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