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Kostenfreies Schulessen ist in einigen Ländern Realität

Ganz viel Bio an Italiens Schulen, Indien realisiert größtes Programm, alles kostenfrei
Quelle TU Berlin/ www.indienaktuell.de
Angesichts der Finanzkrise und deren Folgen auf die Haushalte der Staaten in Europa sind einige errungenschaften wie die kostenfreie Schulspeisung z.B. in Spanien in Gefahr.  Es gibt sehr viele Massenproteste gegen diese Streichungen. Besonders stark vertreten waren Angehörige des öffentlichen Dienstes, Sozialarbeiter, Krankenschwestern und Lehrer:

„Wegen der brutalen Kürzungen bei den Stipendien, der Schulspeisung und der Lehrmittelfreiheit haben wir eine Menge Schüler, die nichts mehr zu essen haben, denn die einzige Mahlzeit für sie war das, was sie in der Schule bekamen“, klagt eine Lehrerin.

Die Ernährung der Kinder ist in einem Land, dass auf gesunde Menschen und ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen ist kei Luxus, es ermöglicht Hoffnung auf eine gute Zukunft.
Das deutsche Schulsystem steht nicht erst seit der Pisa-Studie in der Kritik. In den vergangenen Jahren hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass Ganztagsschulen ein sinnvoller Weg aus der Bildungsmisere sein können. Seit 2003 unterstützt die Bundesregierung die Länder beim Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen mit dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB). 

Wenn Schüler und Schülerinnen den gesamten Tag an der Schule verbringen, wird auch das Thema "Schulspeisung" wieder hochaktuell. Dr. Benjamin Nölting, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin, untersucht im Rahmen des aktuellen europäischen Forschungsprojektes "iPOPY" (2007 bis 2010) die Möglichkeiten innovativer Bio-Verpflegung in öffentlichen Schulen und Jugend-Einrichtungen.

"Das Projekt befasst sich einerseits mit der Frage, wie Kinder in der Schule gesund, schmackhaft und bezahlbar ernährt werden können. Gleichzeitig sollen sie für eine nachhaltige Ernährung sensibilisiert werden", beschreibt Nölting den Ansatz der Arbeit. Bio-Produkte scheinen dafür besonders geeignet zu sein. Der TU-Forscher hat vier erste Studien des iPOPY-Projekts zur Schulverpflegung in Italien, Finnland, Dänemark und Norwegen aus dem Jahr 2008 analysiert und vergleichend ausgewertet. "Man kann zwei Typen der Schulverpflegung unterscheiden und aus den Erkenntnissen anderer europäischer Länder für das hiesige System lernen", sagt er. Während in Italien und Finnland die Mehrheit der Schüler mittags eine warme Mahlzeit erhalten, werden in Dänemark und Norwegen lediglich Obst, Getränke (Schulmilch) sowie Snacks als Ergänzung zum mitgebrachten Pausenbrot angeboten. "In Italien wurden bereits in den 1980er-Jahren auf Initiativen von Öko-Pionieren Bio-Lebensmittel in der Schulverpflegung eingeführt. Inzwischen ist der Anteil von Bio-Produkten dort auf einen Gewichtsanteil von 40 Prozent angestiegen", berichtet der Wissenschaftler. Italien könne als Pionier der Bio-Schulverpflegung angesehen werden, die hohen Qualitätsansprüche seien auch in der italienischen Esskultur begründet. In Finnland, so hat Nöltings Analyse ergeben, dominieren konventionelle Mahlzeiten in der Schulverpflegung, viele Schulen wollen allerdings den Anteil von Bio- und regionalen Produkten steigern.

In Dänemark ist die Schulverpflegung dezentral organisiert, die Schüler und Schülerinnen bringen ihr Pausenbrot mit. Bio-Produkte werden regional eingesetzt, etwa in Städten wie Kopenhagen und Roskilde. "Caterer bieten dort zunehmend Bio-Schulessen an", sagt Nölting. In Norwegen werde das Ziel verfolgt, bis zum Jahr 2015 einen Anteil von 15 Prozent beim Öko-Landbau und beim Konsum von Bio-Lebensmitteln zu erreichen. "Dort hat man gute Erfahrungen damit gemacht, Obst kostenlos zu verteilen: Die Kinder aßen dann häufiger Obst."

Was genau Bio-Produkte sind, regelt eine EU-Norm: Die Lebensmittel werden ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, ohne synthetische Düngemittel und ohne Gentechnik erzeugt. "Da gibt es klare Standards und Listen mit erlaubten Zusatzstoffen", sagt Nölting. Damit produziert der Öko-Landbau qualitativ hochwertige Bio-Lebensmittel, die eine gute Grundlage für eine bewusste und gesunde Ernährung böten. Ein bekömmliches Essen fördert die Konzentrationsfähigkeit eher als Pommes Frites mit Ketschup und Mayo. Fettleibigen Kindern kann mit einer nachhaltigen Schulspeisung, verknüpft mit lebensnaher Ernährungserziehung, eine gesunde Ernährung geboten werden. Dem Vorurteil, "Bio" sei viel teurer als konventionelle Ernährung widerspricht Nölting: "Es geht darum, Versorgungsketten neu zu organisieren. Wenn anstelle von täglichem Fleischkonsum Obst und Gemüse aus der Region auf dem Teller landen, kann das unterm Strich sogar preiswerter sein", sagt er.
 

Die verschiedenen europäischen Erfahrungen, so Nölting, ließen sich nicht direkt auf Deutschland übertragen – böten aber wegen ihrer verschiedenen Hintergründe gute Ansatzpunkte. "In Berlin ist die Versorgung mit Bio-Produkten schon vergleichsweise gut geplant, weil hier bereits definiert wird, dass zehn Prozent der Schulspeisung aus biologischem Anbau stammen sollten", sagt er. Die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau e.V. biete zudem eine entsprechende Beratung für interessierte Schulen an. Im dezentral organisierten deutschen Schulsystem werde es ähnlich wie beim Nachbarn Dänemark auf das Engagement der einzelnen Beteiligten ankommen, um an Ganztagsschulen langfristig eine vollwertige Schulspeisung mit einem hohen Anteil von Bio-Produkten zu etablieren.

Indien realisiert größte Schulspeisung der Welt
Das indische Programm wurde aus der Zivilgesellschaft gefordert, 2001 vom größten Bundesgericht erlassen und seit 2004 von der Bundesregierung durchgesetzt. In Indien ist das Thema noch anders gelagert, durch die Schulspeisung wird verhindert, dass die Kinder sich die Nahrung selbst verdienen müssen und daher der Schule fernbleiben. Auch die Schulkleidung wird gestellt, so muss sich kein Kind wegen abgerissener Kleidung schämen.
In Indien hungern immer noch rund 200 Millionen Menschen – trotz der guten wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. In vielen Bundesstaaten ist die Situation nach dem India State Hunger Index (ISHI) alarmierend. Man schätzt, dass mindestens jeder vierte Inder – also weitaus mehr als die 200 Millionen – unterernährt ist.
Die unzulängliche Ernährung hat weitreichende Konsequenzen wie Gesundheitsschädigungen und Leistungsminderungen. Und das ist wiederum für die Wirtschaft nicht gut. Um die Ernährungssicherheit, also den qualitativ und quantitativ ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln, der Bevölkerung zu gewährleisten, hat der indische Staat verschiedene Programme aufgelegt – mehr oder weniger erfolgreich.
Da gibt es zum einen das Midday Meal Scheme, eine Schulspeisung zur Bekämpfung des Hungers im Klassenzimmer. Bereits in den 1960er Jahren wurde dieses Programm im Bundesstaat Tamil Nadu eingeführt. 1995 legte die indische Regierung dann ein Programme of Nutritional Support to Primary Education auf. Die Zentralregierung stellt hierfür die Grundnahrungsmittel zur Verfügung und die Bundesstaaten sollten die Zutaten, das Personal und die Infrastruktur stellen. Ein schlechter Deal fanden viele Bundesstaaten, weil sie die höheren Kosten tragen mussten, und verweigerten sich dem Programm. Sie gaben die Grundnahrungsmittel einfach in trockener Form (also ungekocht) weiter. Das half den hungrigen Kindern in der Schule wenig.
NGOs (Nichtregierungsorganisationen) forderten daraufhin ein Recht auf Ernährung und die People’s Union for Civil Liberties strengte eine Popularklage auf Einhaltung des Ernährungsprogramms an. Im November 2001 erließ der Supreme Court of India dann folgende Direktive im Fall: „People’s Union for Civil Liberties vs. Union of India and Others, No. 196 of 2001“:
„... implement the Mid-Day Meal Scheme by providing every child in every government and government assisted primary school with a prepared mid-day meal with a minimum content of 300 calories and 8-12 grams of protein each day of school for a minimum of 200 days“ – also verpflichtende 300 Kalorien sowie 8 bis 12 Gramm Protein für jedes Schulkind an mindestens 200 Tagen im Jahr. Das ist nicht viel, aber immerhin etwas.
Immer noch widersetzten sich Bundesstaaten der Direktive. Nur der öffentliche Druck von Medien und Netzwerken von Menschenrechtsorganisationen, darunter vor allem die Right to Food Campaign, zwang mehr und mehr Bundesstaaten schließlich zur Umsetzung des Programms. Als 2004 die Regierung unter der Führung von Manmohan Singh an die Macht kam, wurde das Programm mit mehr Finanzmitteln für die Bundesstaaten ausgestattet, sodass das Schulspeisungsprogramm nunmehr überall in Indien umgesetzt wird.
120 Millionen Schulkinder wurden 2009 durch dieses Programm mittags versorgt. Damit ist es das größte Schulspeisungsprogramm der Welt. Dafür wurden im 11. Fünfjahresplans Indiens, der den Zeitraum von 2007 bis 2012 umfasst, 738 Millionen Euro eingestellt. Nicht viel Geld, wenn man bedenkt, was uns in Europa die Rettung der Banken oder die Griechenlands kostet.
Und einen weiteren Vorteil hat die Schulspeisung: Es wurde massenweise neue Jobs geschaffen. Über 1,5 Millionen Köche – bzw. meist Köchinnen – wurden angestellt. 37 Prozent davon kommen aus den untersten Kasten oder gehören zu den Ureinwohnern. 42 Prozent der Angestellten gehören anderen benachteiligten Gruppen und Minderheiten an.
Die Ernährungslage der Kinder hat sich verbessert, ihre körperliche Entwicklung wird gefördert und sie können sich in der Schule besser konzentrieren. Auch die Anwesenheitsquoten in der Schule haben sich verbessert. Dass die Kinder in der Schule ein Essen bekommen, scheint vorteilhafter zu sein, als sie auf dem Feld arbeiten zu lassen und selbst für Nahrung zu sorgen. Auch wenn es noch Probleme in der Überwachung des Programms gibt und die Nahrungsmittel zuweilen von schlechter Qualität sind, ist das Midday School Scheme ein richtiger Schritt auf dem Weg zur Ernährungssicherung.
Um den Hunger in dieser Welt wirklich zu bekämpfen, greifen solche rein nationalen Maßnahmen sowieso immer zu kurz. Die Nahrungsmittelsicherheit wäre bei der inzwischen auf sieben Milliarden Menschen angewachsenen Weltbevölkerung immer noch in ausreichendem Maße gewährleistet, wären da nicht eine ganze Menge „Wenns“. Wenn z. B. nicht so viel Fleisch verzehrt würde, denn zur Produktion von 1 kg Fleisch benötigt man das 5- bis 10-fache an Futtermitteln wie Mais oder Getreide und wertvolle Ackerflächen zum Anbau desselben. Wenn endlich die Spekulationen auf Lebensmittel an den Finanzmärkten verboten würden, die die Lebensmittelpreise vor allem in den armen Ländern hochtreiben. Wenn endlich wirklich etwas gegen den Klimawandel getan werden würde. Wenn endlich das, was eine Gesellschaft erwirtschaftet, halbwegs gerecht verteilt würde und nicht immer Wenige ganz viel bekämen, dafür die Mehrheit viel zu wenig. Wenn wir endlich nicht mehr nur auf die großen Taten der Politik warten würden, sondern auch einmal ein wenig kritischer über das eigene Verhalten nachdenken würden.
Wenn, wenn, wenn ... – die Liste könnte endlos fortgesetzt werden und eine rasche Umsetzung der notwendigen Schritte ist reichlich unwahrscheinlich. Bis dahin bietet ein Programm wie die Schulspeisung in Indien wenigstens ein bisschen Linderung.
In Deutschland wäre eine gesunde und allgemeine Schulspeisung sicherlich sehr sinnvoll, da in unserem Land eher das Problem der Fehlernährung und der fehlenden Frische bei der Ernährung der Kinder oftmals besteht.
Wer sich in dem Thema vertiefen oder engagieren und gesellschaftlich einbringen möchte z.B. Deutsches Netzwerk Schulverpflegung e.V. (DNSV e.V.) hier werden Laufend Informationen zum Beispiel über den sozialen Aspekt der Schulspeisungen auf das Verhalten der Schüler gegeben... So  zum Beispiel 
Finnland aktuell: Die Schulverpflegung ist ein multidisziplinärer Lernkomplex!
Das Thema bringt laufend weitere Aspekte in die Diskussion
Von Schweden lernen in Sachen Schulverpflegung

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