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Der Papst tritt zurück

Sicherlich ein hochmoderner Schritt, ein Patriarch der aus freien Stücken abtritt, um seiner Sache und dem Kollektiv in besserer Weise dienlich zu sein, als durch ein Festhalten im Amt. Dies zeugt von einem demokratischen, einem modernen republikanischem Verständnis, auch wenn der Abtritt nicht von begrenzter Amtszeit erzwungen ist. Zu den wenigen, die freiwillig aus Altersgründen abtraten, gehören Nelson Mandela und Fidel Castro. Vielleicht auch in der Zukunft ein Beispiel für folgende Patriarchen in der oft noch im Feudalismus verhafteten katholischen Kirche. Die katholische Kirche ist die weltweit größte Organisation und wächst aktuell weltweit an. Nicht unwahrscheinlich, dass erstmals ein Südamerikaner zum Papst gewählt wird. Die katholische Kirche ist eine globalisierte Kirche und kann, wenn sie die Botschaft der Nächstenliebe, der Humanität und der Lehre Jesu weltweit vertritt, eine wesentliche Kraft zur Veränderung der Lebensbedingungen der Menschen auf diesem Planeten sein. Aktuell war der Papst für den Frieden im Nahen Osten und gegen die Auswüchse des Kapitalismus aufgetreten. Wen wundert es, dass die Kirche von den Kräften, die eine Moderne des Maximalprofits und des Imperialismus betreiben, die eine globale Klasse der Unangreifbaren bilden, angegriffen wird. In anderen Fragen wird die Kirche zu Recht kritisiert, wie im Fall der in Köln vergewaltigten jungen Frau, die von katholischen Krankenhäusern in Köln abgewiesen wurde. Aber die Menschen wenden sich vorwiegend in den aufgeklärten und entwickelten Regionen von der Kirche ab, ohne dass bislang eine adäquate bessere nichtreligiöse Struktur an deren Stelle getreten wäre, hieran wird jedoch an vielen Ecken in der Gesellschaft zur Zeit gearbeitet.  Dem Schritt des Papstes gilt in jedem Fall der Respekt.
Es folgt die Stellungnahme des Oberhauptes des Erzbistums Kölns zum Rücktritt des Papstes:

Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zum Rücktritt von Papst Benedikt XVI.:
Die Nachricht vom bevorstehenden Rücktritt unseres Heiligen Vaters hat auch mich überrascht und tief berührt. Sie erfüllt mich mit großem Respekt und mit großer Dankbarkeit, aber auch mit Traurigkeit. Noch vor vier Wochen hatte ich schriftlich angefragt, ob er sich vorstellen könnte, den Abschlussgottesdienst zum Eucharistischen Kongress bei uns in Köln zu feiern. Er ließ mir antworten: Warte noch vier Wochen. Ich ahnte nichts. Die Wartezeit war vergangene Woche um, ich fragte bei seinem Sekretär nach, und es hieß: Warte noch eine Woche. Der heutige Tag brachte die Antwort.
Wie unser Heiliger Vater selbst sagt, hat er sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, sondern sich vor Gottes Angesicht gewissenhaft geprüft. Dabei ist er zu der Gewissheit gelangt, dass seine Kräfte „infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“, wie er selbst wörtlich sagte.
Als ehemaliger Professor in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg und Erzbischof von München und Freising war Joseph Ratzinger gleichsam unser Nachbar. Als Papst Benedikt XVI. hat er uns als Brüder und Schwestern im Glauben gestärkt, gerade in Deutschland. Unvergessen ist der Weltjugendtag 2005 hier bei uns in Köln, bei dem wir mit jungen Menschen aus allen Nationen unseren gemeinsamen Glauben gefeiert haben. Bei seinem letzten Besuch in Deutschland 2011 hat Papst Benedikt XVI. in seinen Ansprachen gleichsam noch einmal den ganzen Horizont seiner Theologie und des katholischen Glaubens aufscheinen lassen. In seinen Jesusbüchern, die zu Bestsellern wurden, hat er zur Auseinandersetzung mit der Person Jesu, der Mitte aller Zeiten, auf seine ganz persönliche Weise eingeladen.
Papst Benedikt XVI. hatte es als oberster Hirte der Weltkirche nicht leicht, und er hat es sich nie leicht gemacht. Um die Gemeinschaft zu stärken und zu festigen, bereiste der Papst die ganze Welt, obwohl in seinem Alter Weltreisen mit einem Mammutprogramm eine echte Strapaze sind. Um die Verbindungen zwischen den einzelnen katholischen Ortskirchen zu verlebendigen, besuchen sich auch die Bischöfe als Repräsentanten dieser Kirchen untereinander. Weil wir alle mit dem Papst Kommunikation halten, stehen wir auch untereinander in Kommunion. Solche Begegnungen sind selbstverständliche Konsequenz unseres gemeinsamen katholischen Glaubens. Unser Heiliger Vater hat dies gleichsam personifiziert.
Es wird berichtet, nach seiner Ankündigung des Rücktritts habe unter den Kardinälen, die im Apostolischen Palast versammelt waren, für einen Moment fassungsloses Schweigen geherrscht. Wie es weiter heißt, soll das Konklave zur Wahl eines neuen Papstes bereits im März stattfinden. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich so kurz vor meinem 80. Geburtstag noch einmal an einem Konklave teilnehmen muss.
Schon verschiedentlich habe ich davon berichtet, was mich an Papst Benedikt XVI. beeindruckt: In meinen zahlreichen Begegnungen mit ihm bei festlichen Gottesdiensten in Sankt Peter, bei Audienzen oder auf Synoden und Konferenzen beeindruckt mich am stärksten seine tiefe Sammlung und Gebetsversunkenheit. Hier ist etwas vom Geheimnis des Menschen Joseph Ratzinger zu ahnen. Die Schwerkraft seines Lebens verlagert sich im Gebet in die Hände Gottes. Ich lade Sie deshalb alle ein: Beten wir um Gottes Geist, dass er in seiner Kirche wirke. Beten wir für diese unsere Welt, die, wie unser Heiliger Vater sagt, „durch Fragen, die für das Leben des Glaubens von großer Bedeutung sind, hin- und hergeworfen“ wird. Beten wir für das bevorstehende Konklave, dass der Geist Gottes den unter uns erwählt, der die Kirche Jesu Christi in dieser Zeit sicher und kraftvoll zu führen vermag. Der jetzige und der zukünftige Papst sollen sich auf uns Beter verlassen können. 

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